Hi Eric,
ich meine, es wäre für dich wertvoll, Kontakte zu anderen Hörgeschädigten und im speziellen Ertaubten zu finden, wenn du dafür bereit bist. Vielleicht ist es auch eine Art Teufelkreis, in den man gerät, wenn man zu wenig Kontakte hat, denn vielleicht ist der Kontaktmangel auch ein Teil der Ursache der Depressionen gewesen.
Ich bin mit 16 ertaubt und jetzt 43, habe also schon reichlich Zeit gehabt mein Leben anzupassen

. Ich kann auch heute noch nicht perfekt Gebärdensprache, aber es reicht für Kontakte zu Gehörlosen. Bei Ertaubten bleibt ohnehin die Lautsprache Muttersprache, wenn sie postlingual ertaubt sind, also nach Erwerb der Lautsprache. Gebärden sind z.B. wichtig, wenn man sich einen Dolmetscher nimmt, beispielsweise beim Elternabend oder auch, wenn man studieren will. Es gibt wohl auch Schriftdolmetscher, aber habe ich noch nicht gehabt oder nur hörende Freunde, die für mich mal etwas notiert haben.
Interessant, dass sich die Menschen materiell komplett regenerieren. Theoretisch müsste man dann doch die Alterung ausschalten können. Aber das wäre auf der Erde wohl nicht "im Sinne des Erfinders"

.
Ja, das Gehirn kann Bereich regenerieren, wie auch Nerven in gewissem Umfang heilen können. Ich hatte mal durch Klickpedalen am Fahrrad eingeschlafene Zehen gehabt. Die sind erst nach ca. 2 Monaten wieder "da" gewesen. Übrigens übernehmen mein Gleichgewicht jetzt die Augen, aber das ist mehr ein Lernprozess. Anfangs konnte ich auch fast nur an der Wand gehen, jetzt kann ich auch Rad fahren etc., wenn auch schlecht im Dunkeln. Meine Homepage ist übrigens
http://www.effendibikes.de , ich konstruiere hobbymäßig Rahmen (Liegeräder, Renntretroller). In den jeweiligen Szenen bin ich immer der einzige Gehörlose, aber das ist egal, man kennt mich da

. Zur Kommunikation ist es gut, Papier und Schreiber dabei zu haben, denn Mundablesen klappt oftmals nicht gut.
Als meine Eltern damals am Abend der Ertaubung den Arzt holten, konnte ich schon schlecht hören, aber noch verstehen. Der Tieftonbereich war weg und es klang komisch. Der Arzt sagte "Schwere Grippe", aber am nächsten Morgen ließ mich meine Mutter doch besser ins Krankenhaus holen. Im Krankenhaus angekommen, konnte ich nichts mehr hören, es ist also in etwa 5-10 Std. komplett kaputt gegangen. Bei Innenohrschaden hört man immer verzerrt. Bei Mittelohrschaden jedoch nur leiser. Bei mir ist auf jeden Fall das Innenohr Schrott. Ich kann mit Hörgerät Sprache hören, aber nicht verstehen. Als ich das erste mal ein Hörgerät bekam, war es wie Flüstern. Heute ist die Hörkurve noch die gleiche, aber es klingt subjektiv viel lauter. Ich höre dennoch nur etwa zwischen 100 und 130 dB (Empfindung und Schmerzgrenze), also mit geringer Dynamik.
Ein CI wird einen zwar nicht zum Hörenden machen, aber immerhin zum Schwerhörigen. Ertaubte können damit auch meist mehr oder weniger Sprache ohne Mundablesen verstehen. Musik wird sicher nicht die volle Qualität haben, aber vielleicht klingt es immerhin wie ein alter Kassettenrecorder

. Mit meinem winzigen Hörrest kann ich keine Melodie hören, bestenfalls Takt, aber eben auch kein Bass. Dafür liegt mein Hörrest im Bereich von Pfeifen.
Ich dachte mir auch schon, dass beim CI doch Elektrosmog auftritt, aber es gibt auch schon Leute, die das über 20 Jahre haben. Ich las nur mal, dass die Tendenz zu Hirnhautentzündung mit CI größer ist, aber Genaues weiß ich dazu auch nicht.
Der Glaube an Heilung kann sicher einiges bewirken (Pacebo-Effekt), aber ich denke, das hat seine Grenzen. Einen großen Schaden wird auch der stärkste Glaube kaum ausheilen können. Es kommt immer drauf an, wo der Schaden genau sitzt. Ich würde mich aber nicht zu sehr an dem Glauben festhalten, dass nur ein hörendes Leben lohnt. Mache dir nicht zuviele Gedanken und lebe, was das taube Leben bietet. Das ist mehr als du denkst

. Die Hoffnung auf Hören kannst du ja weiterhin behalten. Mir half diese Hoffnung in der Anfangszeit, nicht in ein Tief zu fallen. Und nach einem Jahr, wo mir klar war, dass es wohl so bleibt, hatte ich mich dran gewöhnt. Sehr wichtig ist dabei genug Ablenkung. Triff dich mit Leuten, vielleicht kannst du in der VHS oder irgendwo Gebärdensprache lernen. Mir war Musik damals sehr viel wert und ich bin froh, dass ich mal hören konnte. Ich habe noch heute soviel Musik im Kopf, singe und tanze für mich. Meine Frau (seit Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig) weiß jedoch kaum, was eine Melodie ist. Das finde ich schade. Andererseits: Was man nicht kennt, macht einen nicht heiß

und so vermisst sie Musik nicht direkt.
Wenn du versuchen willst, den Hörsturz quasi rückgängig zu machen, an dessen Möglichkeit ich ehrlich gesagt jedoch nicht glaube, müsstest du die Ursache herausfinden und auf jeden Fall diese abstellen. Ich denke, Ein Hörsturz ist ähnlich wie ein Infarkt, also eine verringerte Durchblutung. Vielleicht hilft ja Aspirin, die Durchblutung zu verbessern, doch ich nehme an, es ist wie beim Herzen: Bereiche, die durch einen Infarkt kaputt gegangen sind, kann man nicht wieder herstellen, sie sind abgestorben, soweit ich weiß. Da helfen dann nur Bypässe, also Medizinische Brücken (Adern). Sowas geht wohl beim Gehör bisher nicht. Das scheint mir auch filigraner aufgebaut zu sein als ein Herz.
eric hat geschrieben:
Angst kann mir sowieso garnichts mehr machen und es kann schlimmstenfalls nicht funktionieren.
Da wäre ich mir nicht so sicher. Es gibt Vieles, das schlimmer ist als Taubheit. Stell dir mal schwere Migräne vor. Damit kann man kaum leben, Schmerzen sind viel größere Einschränkungen im Leben. Ich hatte anfangs recht lauten Tinnitus, der inzwischen jedoch im Hintergrund ist. Ich bemerke ihn kaum, nur wenn ich "hinhöre". Ablenkung ist dabei wichtig, dann wird es leiser. Wie schon geschrieben, vielleicht kannst du dir eine Reha in Rendsburg verschreiben lassen. Ich war zwar noch nicht da, aber dort lernt man zumindest mal andere Betroffene (Ertaubte) kennen. Wenn man im Erwachsenenalter ertaubt ist, ist es schwieriger Kontakt zu Gleichen zu finden als im Schulalter. Ich kam damals auf die Hörgeschädigtenschule in Schleswig und war danach im Husum unter Hörgeschädigten in der Ausbildung. Auch in der FOS in Essen war ich mit Gehörlosen zusammen und erst im Studium alleine unter Hörenden (mit Dolmetscher). Privat habe ich auch Kontakt zu Theatergruppen gesucht, wo ich nebenbei besser Gebärdensprache lernte. Schau mal in deinem Umfeld, ob es Gehörlosen-Clubheime oder sowas gibt. Übrigens war ich vor kurzem mal bei einem Taubblinden-Treff. War ganz interessant. Hatte vorher extra Lormen geübt, doch die meisten dort verwenden mehr taktile Gebärdensprache (Hände abfühlen)

. Die Gruppen haben übrigens auch immer einiges vor (Unternehmungen). Ein gutes Buch: Die Lebensgeschichte von Peter Hepp ("Die Welt in meinen Händen").
j.
PS: Wie alt bist du und wie lange schon taub? Ich kenne übrigens einen anderen, der auch in Schüben allmählich gehörlos wurde und als er ganz taub war, irgendwie froh war, denn dann konnte es nicht mehr schlechter werden.